Fototour am Julitag - was man da wohl sehen mag?
Autor: Michael Walter
(Der Beitrag wurde für die Webansicht angepasst.)

Als Modellbahner genieße ich gerne den Überblick. Man überwacht von oben die Gleisanlagen und schaut den Züge zu, wie sie sich durch die Landschaft schlängeln. Da ist es naheliegend, dass man auf diese Art auch gerne die große Eisenbahn erleben möchte. Und was bietet sich dafür besser an, als Fußgänger- oder Straßenbrücken über Gleisanlagen? Somit steht für mich der Entschluss fest, an einem meiner Urlaubstage eine Eisenbahn-Fototour zu unternehmen. Aber ich will dahin, wo im Bahnverkehr richtig was los ist. Ein Eisenbahn-Hot-Spot quasi. Und große Rangierbahnhöfe sind dafür genau das richtige Ziel. Als erstes wird im Internet nach möglichen Standorten recherchiert:
"Der Rangierbahnhof Limmattal ist einer der größten und leistungsfähigsten Rangierbahnhöfe Europas. (...) Er ist der wichtigste Bahnhof für den nationalen Einzelwagenladungsverkehr in der Schweiz, (...)" Q1
Hört sich doch super an. Mal schauen wo das ist. Aha, bei Zürich. Und auf den Bildern erkenne ich 3 Brücken. Jede für sich überspannt die kompletten Gleisanlagen. Ein Parkplatz in der Nähe ist gefunden, Adresse notiert und Limmattal als ein absolutes Muss vermerkt. Von meinen Autobahnfahrten durch Basel weiß ich, dass es da auch einen größeren Güterbahnhof geben muss. Onlinerecherche:
"(...)Basel-Muttenz ist eine internationale Drehscheibe. Einerseits findet hier für Züge aus Frankreich und Deutschland der Lokwechsel statt. Andererseits werden Güterzüge für die lokale Verteilung der Güter in der Nordwestschweiz oder den Transit nach Italien neu formiert. Rund 320 Güterzüge verlassen an einem durchschnittlichen Verkehrstag den Rangierbahnhof.(...)" Q2
Schauen wir doch mal, was die Satellitenbilder uns dort verraten. Super, auch dort wimmelt es nur so von Gleisen. Und es gibt mindestens zwei Brücken - perfekt. Geparkt wird am Tennisplatz bei den Schrebergärten. Alles klar, nur noch das Wetter checken, um zu sehen, an welchem Tag das Vorhaben gelingen kann. Donnerstag, 31.07. soll regenfrei sein. Nun hab ich alle Infos beisammen und musste nicht mal vom Sofa aufstehen - toll.
"Da in der Schweiz am 01.08. Nationalfeiertag ist, wird auf der Bahn am Vortag bestimmt mehr los sein als normalerweise. Und unter der Woche läuft sowieso mehr Güterverkehr als am Wochenende." so lauten meine Gedanken beim Zu Bett gehen.

Am Donnerstag erreiche ich um 11Uhr Spreitenbach im Kanton Aargau. Doch was ist das? Schon vom Weitem sind auf der Brücke hohe Bauzäune erkennbar. Beim Näherkommen sehe ich Sperrschilder. Oha, die alte Fußgängerbrücke wird für den Autoverkehr aufgewertet. Also ab zur Nächsten in 300m Entfernung. Doch auch da erwartet mich das gleich Bild. Aber wenigstens ist diese Baustelle für Fußgänger freigegeben. Zuerst überquere ich die Autobahn. Doch dann verheißt der Blick auf die Gleise nichts Gutes. Nun stehe ich beinah über dem Ablaufberg von einem der größten europäischen Rangierbahnhöfe und sehe nur leere Gleise! Ein riesiges Areal, unfassbar viele Schienen und Weichen, alles bestens gepflegt und nur in der Ferne sind in der Ordnungsgruppe ein paar einzelne Wagen zu erkennen. Vom Ablaufbetrieb keine Spur. Auch in der Einfahrgruppe kann man die Züge an einer Hand abzählen.
Ich habe etwas anderes erwartet. Ernüchtert laufe ich meine Runde um das Areal weiter, um für einen erneuten Besuch gute Fotopunkte kennenzulernen. Dabei kommen mir zwei Erklärungsversuche in den Sinn:
1. Falsche Zeit. Abends und nachts muss hier sicher viel mehr Betrieb sein.
2. Bahnhof für nationalen Einzelwagenladungsverkehr. Sollten etwa auch in dem Eisenbahnland Schweiz alle Zeichen auf reinen Ganzzugverkehr stehen und gemischte Güterzüge kaum noch eine Rolle spielen?
Diesen Verdacht werde ich bei einem späteren Besuch überprüfen. Aber erst wenn die Brücken fertig sind. Da ich so keine Fotos hätte machen können, hält sich die Enttäuschung in Grenzen. Also auf nach Basel - vielleicht habe ich dort mehr Glück. Zurück im Auto wird das Navi mit neuen Daten gefüttert und los geht's. Beim Schulterblick auf der Autobahn denke ich mir: "Aha, der will wohl auch in meine Richtung." Auf den parallel verlaufenden Fernbahngleisen hält ein TGV Lyria mit mir die Geschwindigkeit. Diese eleganten Züge verbinden Zürich mit Paris und verkehren dabei über Basel. Ein Foto von dem TGV wäre doch ein schönes Trostpflaster. Aber angesichts meiner Position am Lenkrad bei 120Km/h auf einer dichtbefahrenen, dreispurigen Autobahn verwerfe ich schnell diesen plötzlichen Fotografierwunsch. Eine kurze Weile sind wir beide gleichauf, dann trennen sich die Wege. Unterwegs sinniere ich darüber, wie leicht es doch heute ist, Züge zu fotografieren. Kein Vergleich zu früher, so vor 40, 50 Jahren. Heute kennt das Navi alle unbekannten Wege, verwackelte Fotos kann man sofort löschen, statt Filme werden Speicherkarten mit massig Kapazität gewechselt, Satellitenbilder für Jedermann lassen eine Vorauswahl der Fotostandpunkte zu ohne je dort gewesen zu sein und mobil zu sein wird einem gesellschaftlich längst in die Wiege gelegt...

Der Rangierbahnhof Basel liegt in der Vorstadt Muttenz. Bereits bei der Fahrt zu meinem ausgewählten Parkplatz überquere ich die Gleisanlagen. Ein kurzer Blick aus den Seitenfenstern verrät mir: "Ja, hier ist definitiv mehr los." Die Gleise sind gut belegt und es finden Zugfahrten statt, und das sogar zur Mittagszeit! Auch hier habe ich einen Rundgang geplant. Die erste Brücke befindet sich auf Höhe der nördlichen Einfahr- und Ausfahrgruppe. Um dorthin zu gelangen, muss ich um die komplette Schrebergartenanlage herumlaufen. Doch der Weg lohnt sich. Auf der Fuß- und Fahrradwegbrücke hat man einen tollen Blick auf die Weichenstrassen. Beinahe im Minutentakt fahren Züge aus oder ein oder es verkehren Rangierfahrten. Und sollte doch mal nichts passieren rollt der Personenverkehrs auf den Nachbargleisen. Hier bin ich goldrichtig! "Freude herrscht!" Q3 kommt es mir in den Sinn. Wie ein Erdmännchen spring ich auf der Brücke umher. Das ist der gesuchte Hot-Spot. Was hier wohl zur Hauptverkehrszeit los sein muss?
Wie ich später herausfand, hatte ich meine Kamera nicht gut eingestellt. Ich müsste mir wohl doch mal ein neues Gerät zulegen. Nach gut einer Stunde wächst die Neugier auf die zweite Brücke. Aber bestimmt verpasse ich dann was. Egal, los. Eine Viertelstunde später stehe ich genau wie in Limmattal über dem zweigleisigen Eselsrücken. Ich beobachte fasziniert, wie eine Rangierlok emsig Wagen um Wagen in die Richtungsgruppe ablaufen lässt. Gegen 14Uhr ist eine Art Ruhepause eingekehrt. Doch wenn ein Güterzug nicht neugebildet oder zerlegt wird, dann fährt er durch oder das Personal wechselt und somit passiert auf den Durchfahrtsgleisen auch allerhand in dieser Zeit.
Zufrieden mit der Fotoausbeute mache ich mich auf den Heimweg. Einen Abstecher zu einer der wenigen Brücken über die Bahnlinie Olten - Solothurn gönne ich mir noch. Die Brücke bei Niederbipp liegt quasi vor der Haustür. Nachts fahren dort die Güterzüge im Blockabstand. Aber wie steht's am Tage? Versuch macht Klug!
13 Zugfahrten in 60 Minuten sind ein super Nachmittagsprogramm. Doch wie das halt so ist: Packt man gerade alles weg fährt hinterrücks ein unerwarteter Sonderzug vorbei. Manche Dinge ändern sich eben nie...
Mit Sonnenbrand und über 80 Fotos erreiche ich nach 7 Stunden wieder das heimische WLAN.
Die Freunde in der thüringer Heimat werden sich bestimmt über ein paar schöne Fotos freuen.

Q1 - Internetseite: www.wikipedia.org
Q2 - Internetseite: www.sbb-cargo.com - Cargo Magazin 2/2013
Q3 - Zitat - Adolf Ogi, schweizer Politiker

Autor: Michael Walter
Eine Lok der Bauart BB 37000 für den grenzüberschreitenden Verkehr. Die 437059 fährt für die Güterverkehrssparte FRET der französischen Staatsbahn SNCF. Zügig beschleunigt sie den leeren Autotransportzug aus der Ausfahrgruppe Nord.
Heimspiel für SBB Cargo? Weit gefehlt. In 120 Minuten kamen meist nur Privatbahnmaschinen vor die Linse. Re 482 022-2 (BR 185 bei DB AG) zählte zu den wenigen Ausnahmen.
Diese Momente machen Spaß. Links verlässt ein Zug aus zweiachsigen Selbstentladewagen den Rangierbahnhof, gleichzeitig fährt rechts ein Containerganzzug ein und dazwischen rollt die Am 843 014-2 als Lz. Hochbetrieb in Minutentakt. Was wohl als nächstes passieren wird?
Re 4/4 178 der BLS AG huschte mit diesem 5-Wagenzug fast unbemerkt am Fotografen vorbei. Ihre Schwestermaschinen auf dem Nachbargleis warten auf den nächsten Einsatz.
Die Elloks Re 4/4 der BLS AG sind aufgrund ihres Äußeren zweifelsohne ein Hingucker. Braune Farbgebung, nur ein Stromabnehmer und Dachwiderstände für die elektrische Bremse. Leichtigkeit und Kraft (80t / 6770PS) erlauben es diesen formschönen Maschinen selbst schwerste Güterzüge über den Berg zu bringen.
Hier mal ein Schwenk um 180 Grad. Zu sehen sind Überführungsbauwerke, Strommasten und die Skyline von Basel. Hauptdarstellerin "Celine Alia" (Lokname) 185 581-6 des EVU Crossrail trägt an den Seiten das Logo der niederländische Logistikfirma Ewals Cargo Care, welche 2007 alle Speditionsaktivitäten von Crossrail kaufte. Die Gleise links dienen dem restlichen Schienenverkehr als Umfahrung.
An diesem Ort fährt immer etwas. Und ist es mal keiner der vielen Güterzüge dann rollt eben so eine auffällige Garnitur vorbei. Dies ist einer der 15 selbstfahrenden Lösch- und Rettungszüge (LRZ 08) der SBB, bestehend aus Rettungs-, Tanklösch- und Gerätewagen. 44'000 Liter Wasser und 1'800 Liter Schaumextrakt können eingesetzt werden.
185 597-6 im BTMU-Crossrail Anstrich verlässt Muttenz mit einem scheinbar unendlich langen Containerzug. Wohin die Reise wohl geht? Rotterdam, Hamburg, Paris?
Zwei Re 4/4 der SBB mit einem leeren Fals-Ganzzug auf dem Anschlussgleis zum 1,5 km entferntem Auhafen am Rhein. Dort werden vor allem Treib- und Brennstoffe aber auch Schwergut, Speiseöl, Dünger, Tonerde und Getreide umgeschlagen.
Knapp 2000 östereichische Pferdestärken besitzt 2143 014 der RTS (Rail Transport Service GmbH) und ist damit 500 PS stärker als ihre ÖBB-Schwestern. Sie und drei weitere Maschinen wurden von den ÖBB gekauft, generalüberholt und neumotorisiert. RTS ist Tochter des Bahnbauunternehmen Swietelsky und stellt dessen Güterverkehrssparte im Ganzzugverkehr dar.
Das Herzstück eines jeden Rangierbahnhofes ist der Ablaufberg. Von Eisenbahnern auch Eselsrücken genannt. In Muttenz hat man von einer Straßenbrücke diesen herrlichen Blick auf das Geschehen darunter. Während eine Rangierlok die entkuppelten Wagen oder Wagengruppen den Ablaufberg hoch schiebt, rollen diese auf der anderen Seite hinab in ihre jeweiligen Richtungsgleise. So werden schnell neue Güterzüge gebildet.
Andere Lok, anderer Look. 185 515-4 gehört der Leasinggesellschaft Alpha Trains Group S.à r.l. mit Sitz in Luxemburg, welche Lokomotiven an andere EVU vermietet. Somit lässt sich nicht sagen unter welcher "Flagge" die 515 "segelt", vermutlich ist sie aber auch für Crossrail im Einsatz, denn...
... Muttenz ist Hauptsitz dieser Transportfirma. Sie konzentriert sich ausschließlich auf die Durchführung von Ganzzügen im transalpinen Verkehr über Lötschberg-Simplon oder Gotthard zwischen Italien, Deutschland, Belgien und Holland. Auch ehemalige SBB Re4/4 gehören zum Fahrzeugbestand und machen in der aktuellen Crossrail-Lackierung eine sehr schöne Figur, oder? Hier sind "Ivon" und "Sara" abgestellt (436 115-0 vorne, 436 111-9 hinten).
Die schweizer "Gäubahn" verbindet auf 34,5km Streckenlänge die Städte Olten und Solothurn. Zwischen Wangen an der Aare und Niederbipp führt die Strecke hinauf aus dem Aaretal in den solothurnischen Bezirk Gäu. Ein FLIRT der SBB nach Olten überwindet ohne Schwierigkeiten die 40 Höhenmeter zwischen den beiden Bahnstationen.
In den letzten Jahren und Monaten wurde die Strecke gründlich modernisiert. Steuerung durch ESTW, durchgehend signalisierter Gleiswechselbetrieb, Brückensanierungen und moderne Gleis- und Signalanlagen bezeugen dies. Da passen auch hochmoderne RABDe 500 Neigezüge für den Personenfernverkehr gut ins Bild.
Die Gleisanlagen des Bahnhofs Luterbach-Attisholz wurden umfangreich verändert. Damit verbunden sind Arbeiten an den Oberleitungsanlagen, welche mit solchen Bauzügen durchgeführt werden. Diese Garnitur befindet sich auf dem Weg zum nächsten Einsatzort.
Ein FLIRT am Waldesrand gefällt nicht nur dem Fotografen. Solche Einheiten fahren als Regiozüge im Nahverkehr, dieser hier nach Solothurn. Im Hintergrund ist der Fotostandpunkt "Neuweg Brücke" zu erkennen.
Fahrzeiten von Reisezügen sind im Fahrplan ohne Weiteres zu finden. Güterzüge hingegen fahren auch mal nach Bedarf oder haben mehrere Fahrmöglichkeiten zwischen den Reisezügen zur Verfügung. Somit existiert immer ein Überraschungsmoment ob und was für ein Zug "um die Ecke" kommt. Diese Kesselwagenzüge hingegen sind täglich in den Nachmittagsstunden unterwegs.
Ein IC nach Basel. Eine Basisgarnitur besteht oftmals aus Lok 2000 (Re 460), 6 Reisezugwagen und einem Steuerwagen. Werktags werden bis zu 5 Verstärkerwagen vorgespannt, so dass die Lok wie hier in Zugmitte läuft. In den größeren Bahnhöfen können dadurch viele Rangierbewegungen erlebt werden.
In der Schweiz wird als Betriebsrichtung das linke Streckengleis genutzt. BLS 162 rollt mit einem Güterzug beladen mit Kühlcontainern hinab zum Flußtal um in wenigen Momenten die Aare zu überqueren. Fotostandpunkte mit Signalsicht sind immer praktisch. Das Blocksignal der Gegenrichtung zeigt bereits Gelb, der nächste Zug wird gleich erscheinen.
Re 6/6 Nr. 11650 trägt an den Lokseiten das Wappen der Gemeinde Schönenwerd im Bezirk Olten. Für diese 6-achsige, leistungsstarke Maschine (knapp 10'000PS Dauerleistung) stellen die 24 Knickkesselwagen und die Steigung nach Niederbipp keine Hürde dar.
Veröffentlicht am 31.08.2014