Eine Wanderung entlang der OeBB,
der "kleinen großen Eisenbahn der Schweiz"
Kennen Sie das? Diese Momente, in denen man in der Fremde im Vorbeifahren etwas entdeckt, was man an diesem Ort niemals vermutet hätte? Oder Sie sehen im Urlaub einen Gegenstand, ein Symbol oder hören nur einen Begriff, welcher Sie sofort an die Heimat erinnert?
So erging es mir bei meinem ersten Kontakt mit der Privatbahn OeBB, nur wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, dass es diese Bahn überhaupt gibt. Aber der Reihe nach. Was war geschehen? Aus purem Zufall heraus (mein Auto streikte bei einem Heimatbesuch in Suhl und um die Kosten für die Schweizer Autobahnvignette für den Leihwagen einzusparen) fuhr ich ab Basel per Landstraße nach Solothurn. Zwischen den Ortschaften Balsthal und Oensingen im Kanton Solothurn verlaufen Eisenbahngleise parallel zur Straße. Das ist ja normaler Weise nichts ungewöhnliches. Doch als ich aus dem Augenwinkel plötzlich die Umrisse einer mir wohl bekannten Rangierlokomotive auf einem Anschlussgleis stehen sah, dachte ich zuerst, ich sehe schon Gespenster und zweifelte an meiner Fahrtauglichkeit. Hier, gut 45 Fahrminuten südlich der deutschen Landesgrenze, in einem engen Tal, welches kaum Straße, Bahn, Fluss und Industrieanlagen Platz bietet, stand sie da. Eine V60 der ehemaligen DR - einfach so - unverkennbar diese Kontur - das gibt's doch gar nicht! Zwar blieb die Erinnerung an diesen Moment im Hinterkopf gespeichert, aber ich nahm mir vorerst keine Zeit dieser Sache einmal auf den Grund zu gehen. Ein Jahr später hatte ich das zweite Hallo-Wach-Erlebnis. "Wer rastet rostet" - also hinaus und losgefahren zum Geocaching. Und manchmal findet man bei diesem Spiel mehr, als man eigentlich sucht! Da ich die OeBB noch immer nicht realisiert hatte parkte ich mein Auto ganz unbewusst in der Nähe des Bahnhofs Klus. Beim Aussteigen fielen mir sofort die abgestellten Wagen der historischen Rheingold-Zuggarnitur ins Auge. Schon wieder so ein Volltreffer! Die Zettel in den Türfenstern gaben mir Aufschluss, dass die 5 Wagen von einer Reisegesellschaft angemietet waren und somit ein paar Tage hier "auf dem Rand" verbringen würden. Selbstredend wollte ich dann doch irgendwann einmal wissen, was das da für eine Bahn ist, die da quasi "um meine Hausecke" liegt und mir solche Überraschungen bietet. Die OeBB in Zahlen und Fakten: - Oensingen-Balsthal-Bahn AG, Sitz in Balsthal - kürzeste, normalspurige Privatbahn der Schweiz für Personen- und Güterverkehr - Streckenlänge 4 km mit 4 Bahnhöfen bzw. Haltepunkte - Oensingen (462 m ü M.) - Klus - Thalbrücke - Balsthal (489 m ü M. = 27m Höhendifferenz) - 15 Mitarbeiter beschäftigt (2008) - in 1890er Jahren Bestreben der Industrie für einen Anschluss an bestehende Bahn in Oensingen - Betriebsaufnahme 17. Juli 1899, blieb immer Stichbahn - frühere Anläufe einer durchgehenden Verbindung nach Basel scheiterten - wegen schweren Industriegütern nicht als Schmalspurbahn konzipiert - Seit 1943 komplett elektrifiziert - mehrfach stand Umstellung des Personenverkehrs auf Bus zur Debatte - 2004: neues Betriebskonzept rettet OeBB vor Stilllegung - Heute: Halbstundentakt mit Triebwagen, ergänzt in Randstunden und Spitzenzeiten durch Busse - Personenverkehr im Auftrag der SBB, Durchführung durch OeBB - viele nostalgische Fahrzeuge - Eisenbahnklub Balsthal, gegr. 1979, aktuell ca.40 Mitglieder - besteht aus zwei Gruppen - Ziel Dampflokgruppe: untersteht der OeBB und führt Damplokfahrten durch - Ziel Modellbahngruppe: "Pflege der Eisenbahnliebhaberei", Bau einer Modellbahnanlage - Modellbahnanlage und Klublokal sind in einem Triebwagen beim Depot untergebracht Es gingen dennoch zwei Jahre ins Land, bis ich diese interessante Bahn genauer unter die Lupe nehmen sollte. Der Besuch meiner Schwester mit ihrem Mann gab den Anlass einer Wanderung entlang der Strecke - beginnend in Oensingen. Dieser Keilbahnhof stellt für die OeBB den Zugang zum Netz der SBB (Linie Olten-Solothurn) dar und ermöglicht zusätzlich durch die schmalspurige ASM (Aare-Seeland-Mobil) direkte Anschlüsse nach Langenthal oder Solothurn. Um außerorts an die Strecke nach Balsthal zu gelangen war zunächst ein kleinerer Umweg notwendig. Danach befanden wir uns auf einer Brücke über Landstraße und Streckengleis und konnten in der Ferne schemenhaft das Alpenmasiv bewundern, während sich entgegengesetzt einer der wenigen Einschnitte des Jura-Gebirges auftat. Bereits im Mittelalter stellte diese Route für den Handel eine wichtige Rolle dar, wie die vielen Burgen und Ruinen in der Region bezeugen. Auch ein Militärbunker in den Felswänden lässt die taktische Bedeutung dieses Durchlasses erahnen. Unser Weg führte weiter zu einer Ampelkreuzung, ab der wir auf dem Rad-/Fußgängerweg direkt zwischen Straße und Bahnlinie weiterliefen. Ebenfalls beginnt hier ein Industriegebiet, auf dem man zuerst das Gelände einer Tunnelbaufirma entdeckt. Dort sieht man viele gestapelte Standard- und Schüttgut-Container, welche mit einem firmeneigenem CargoSprinter(!) an die Baustellen transportiert werden. Etliche Betonelemente für den Straßen- und Eisenbahntunnelbau sind haushoch gelagert. Es folgt ein Gleisanschluss zu einer Verladestation für Abfälle aus den umliegenden Gemeinden. Dahinter steht ein modernes Holzpellet-Werk. An der Verladestation sah ich vor 3 Jahren die V60 und auch diesmal stand sie mit Abfall-Containern auf Tragwagen bereit für die nächsten Arbeitsaufgaben. Im weiteren Verlauf trennt nun das Flüsschen Dünnern die Werkanlagen von Bahn und Straße und der Bahnhof Klus wird erreicht. Klus ist auf der Strecke der betriebliche Höhepunkt, denn Zugkreuzungen sind nur hier durchführbar. Trotz der überschaubaren Gleisanlagen sind interessante Rangier- und Zugfahrten möglich. Über eine Flussbrücke führt der bahnhofseigene Gleisanschluss in diesen Teil des Gewerbegebiets. Dort befindet sich unter anderem das interkantonale Feuerwehr Ausbildungszentrum (IFA). Für die Floriansjünger stehen auf 36'000m2 modernste Trainings- und Simulationsmöglichkeiten zur Verfügung. Auch Rollmaterial wie alte Trieb- oder Güterwagen stellen hier für Übungen eine sinnvolle Weiterverwendung dar. Bei unserem Besuch in Klus musste die Feuerwehr natürlich nicht einschreiten, obwohl wir das große Glück hatten, dass an diesem Tag die Dampflok "JS 35" mit OeBB Salonwagen zu dem Pellet-Werk pendelte. Dieses feierte "Tag der offenen Tür" und das Empfangsgebäude in Klus beherbergt mittlerweile passender Weise ein Pellet-Ofen-Fachgeschäft. Nach ausgiebigen Fotoaufnahmen legten wir am alten Wasserwehr des Augstbaches in Balsthal eine ausgiebige Pause ein. In unmittelbarer Nähe befindet sich in einer Rechtskurve der moderne Haltepunkt Thalbrücke und gleich darauf ist der Endbahnhof Balsthal erreicht. In dem ansässigem Depot sind die Schätzchen der Privatbahn gut geschützt untergebracht, wie etwa der Triebzug "Roter Pfeil" oder die Mallet-Dampflok "Nr. 196". Aber auch die einsehbaren Bahnhofsgleise hielten so manche Überraschung parat, wie zum Beispiel eine zweite V60 der OeBB oder zwei historische Re 4/4I von Sonderzug-Veranstaltern. Sehr zufrieden zogen wir auf der kurzen Rückfahrt (8min) im Triebwagen Fazit über diese Privatbahn. Durch die kurze Streckenlänge, die wunderschöne Landschaft und die vielfältigen Betriebsabläufe wie Taktverkehr, Bedienung der Güteranschlüsse und dem Nostalgiebetrieb fühlt man sich wie auf eine Modellbahnanlage versetzt. Viele Ideen und Motive laden geradezu ein von der großen in die kleine Bahn umgesetzt zu werden. Die OeBB ist eine tolle "kleine große Eisenbahn"! P.S.: Vielen Dank an meine familiären Fotoreporter für die schönen Aufnahmen :-) Informationen von folgenden Internetseiten entnommen:
Autor: Michael Walter, im Juni 2016
Fotos: Daniela & Steffen Bickel
Ein RBDe 560 der SBB, auch "NPZ Domino" genannt, ist in Oensingen bereits bei der Ausfahrt. Dieser modernisierte Triebwagen pendelt im 30 Minuten-Takt.
Hintergründig thront im Südhang des Juras die Burg Neu-Bechburg aus dem 13Jhd.
Ein Kameraschwenk um 180° - der Rangiertraktor Tm 232 209 -7 und die Rangierlok Eem 923 007 -9 stehen in den Verbindungsgleisen zwischen SBB und OeBB des Keilbahnhofes Oensingen. Dieser Knotenpunkt bietet attraktive regionale und überregionale Verbindungsmöglichkeiten.
Ortsausgang Oensingen:
Am Rechtsbogen in der Ferne beginnt der Bahnhof. Dahinter schweift der Blick über das Emmental und das Berner Oberland. Das mächtige Alpenmasiv ist gerade noch auszumachen.
Die andere Richtung an dieser Fotostelle:
Unter den beinahe senkrechten Felswänden führen Straße und Gleis kurvenreich nach Balsthal. Zukunftsweisend wurde die Strecke in den letzten Jahren umfangreich saniert.
Ja was steht denn da? In Deutschland konnte sich das System "CargoSprinter" nicht durchsetzen. Doch basierend auf dieser Idee entstand in der Schweiz der "Cargo-Pendelzug". Er ist ausgerüstet mit Elektrolokomotive, Containertragwagen und einem vom CargoSprinter übernommenen Triebkopf. Hier ist dieses "Express Shuttle" der Baufirma Marti Tunnelbau AG für den nächsten Einsatz abgestellt.
Die OeBB steckt eben voller Überraschungen!
Im Dezember 1982 wurde 105 164-8 an die DR ausgeliefert und war später bei DB Cargo als 345 164-8 bis zu ihrer Ausmusterung geführt. Ende 2001 erwarb die Schweizer BLS die Lok und gab sie wiederum im Jahr 2004 an die OeBB ab.
Die alte DB-Lackierung von Lok "20" passt gut zu den roten "KEBAG"-Containern.
Und die nächste Überraschung. Keiner von uns wusste etwas von den Dampflok-Pendelfahrten an diesem Tage. Eb 2/4 "JS 35" verlässt gleich den "grünen Tunnel" und wird in Klus einfahren.
Ebenfalls zu den musealen Fahrzeugen der OeBB gehörte dieser Personen- und Gepäck- Triebwagen der SBB (BDe 4/4 651). Gebaut Anfang der 1950er Jahre dient dieses Fahrzeug nur noch der Ersatzteilgewinnung.
Der Bahnhofsvorplatz in Klus bietet die Bühne für diese einwandfrei gepflegte Garnitur. Der schicke B-Kuppler Jahrgang 1891 und die beiden Salonwagen bieten als Sonderzug auch für die Modellbahn eine klasse Vorlage. Die Lok ist Dauerleihgabe von SBB Historic und wurde von der OeBB bis 2006 aufgearbeitet.
Das Stellpult des Bahnhofs Klus befindet sich an der gleisseitigen Hauswand des Empfangsgebäudes. Es wird überwiegend für besondere Betriebssituationen benutzt.
Über Balsthal thront die kleine Burg Alt-Falkenstein. Einst diente sie dem Grenzschutz des Bischofs von Basel. Heute beherbergt sie ein Heimatmuseum. Rechts im Hintergrund ist der Bahnhof Klus zu erkennen, links im Vordergrund das alte Wasserwehr des Augstbaches, welcher hier in die Dünnern mündet.
Zusammen bei den historischen Elektrolokomotiven 10016 & 10019 (beide Re 4/4I ) steht die zweite V60 der OeBB (Lok 22) vor dem Depot in Balsthal. Diese Rangierlok stand nie in Diensten der DR. Nach ihrer Auslieferung 1969 an den Kalibetrieb in Zielitz führte ihr Weg über Oberhausen (1993) in die Schweiz nach Estavayer-la-Lac. Im Jahr 2004 fand die Maschine schlussendlich in Balsthal ein neues Zuhause.
Urig wirken die mit Kuppelstangen angetriebenen, elektrischen Rangiertraktoren "102" und "103" der Gattung Te III. Sie wurden von der OeBB zwischen 1944 und 1947 im Rahmen der Umstellung auf Oberleitungsbetrieb beschafft.
Rangierlok Tm 2/2 Nr. 1, gebaut 1963 von der Arnold Jung Lokomotivfabrik, steht mit einem zweiachsigen Kühlwagen neben dem Balstahler Lokschuppen. Er beheimatet einen wichtigen Teil der Museumsfahrzeuge.
Dieser zweiteilige Triebzug am Depot beherbergt die Modellbahnanlage und das Klublokal des Eisenbahnklub Balsthal. Die Modellbahngruppe trifft sich jeden Donnerstag ab 19:00Uhr zum Arbeitseinsatz und einmal monatlich findet ein Fahrabend statt. Die Dampfgruppe bestreitet Montags ihren Arbeitsabend.
Veröffentlicht am 30.06.2016
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